Ich beobachte die vielen Menschen um mich herum: Einer läuft unruhig auf und ab, einen Blumenstrauß in der Hand. Eine andere lacht mit ihren Freundinnen um die Wette. Der Junge wird von seinen Eltern abgehalten, zu nahe an das Gleis zu treten. Eine alte Dame blickt auf die Uhr, immer wieder, als würde die Zeit schneller vergehen, wenn sie es tut. Der nächste ist in sein Smartphone vertieft, sieht aber immer wieder auf. Eine Gruppe von Menschen hat sich zusammengetan. Sie blicken immer wieder in die Richtung, aus der der Zug kommen soll. Gespräche dringen an mein Ohr, ob heute mal alles pünktlich klappt. Worauf sie wohl alle warten?
Schaue ich genau hin, sehe ich, dass uns alle eines verbindet: Wir warten auf etwas ganz bestimmtes: die Ankunft des Zuges. Warten auf etwas, was noch gar nicht da ist, aber all unser Handeln und unsere Gespräche, unser Denken und unser Fühlen bestimmt. Der Zug ist noch in weiter Ferne, aber wir denken schon, was alles sein wird, wenn er endlich kommt. Wir hoffen, bangen, freuen uns, bereiten uns innerlich darauf vor, was mit der Ankunft alles anders werden könnte. Und egal, was wir tun, erwarten und hoffen: der Zug kommt dann, wenn es Zeit dafür ist. Wir haben als Wartende keinen Einfluss darauf.
Jetzt im Advent ist es genauso. Weihnachten, die Geburt Christi steht bevor. Aber wir stehen gewissermaßen noch am Bahnhof, warten auf die Ankunft, ahnungsvoll, was kommen wird. Unser Denken, Handeln, Hoffen und Fühlen ist darauf ausgelegt. Und doch ist Weihnachten noch nicht da. Noch müssen wir ausharren. Der Prophet Sacharja schreibt: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ Darauf warten Christinnen und Christen. Das Christkind ist schon da – in unserem Warten, aber noch nicht angekommen.
Ich stehe am Bahnhof. Die Aufregung wächst, der Zug ist schon in Sicht. Alle hören auf mit dem, was sie bis jetzt getan haben. Sie schauen gespannt, wie der Zug näher kommt. Wie wird es diesmal sein?
In diesem Sinne wünsche ich eine erwartungsvolle Advents- und Weihnachtszeit,
Ihre Pfarrerin Heike Herzog, Schöllkrippen