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Ansehen geben

Eine Gruppe von Grundschüler stürmt einige Tag vor dem Ferienstart in das Abteil des Regionalexpresses, der jeden Morgen die gleichen Leute um die gleiche Zeit zum gleichen Ziel bringt. Begehrt sind vor allem die 4-er Sitze. Jetzt müssen dich die Gruppen finden, die zusammen sitzen wollen, es werden Pläne gemacht, wie man den gemeinsamen Ausflugstag miteinander verbringen will.
Getränke und Süßigkeiten werden ausgepackt und herum gezeigt. Ein reges Treiben – gewöhnungsbedürftig für die „überfallenen“ Pendler, aber irgendwie auch ein schönes Zeichen von Lebendigkeit auf dem Weg zur Arbeit. Das alles, versteht sich, geht nicht gerade lautlos vor sich. Jeder will gehört werden und seine Entdeckung los werden denn die wenigsten Schüler sind geübte Bahnfahrer. Der Geräuschpegel steigt und wird noch weiter angeschürt, als sich mangels freier Plätze offensichtlich auch noch zwei Rivalen in die Haare kriegen und die anderen sich gerade daran erfreuen.
Mitten in das Klangchaos tönt plötzlich die feste Stimme eines Schülers, der  - die beiden rivalisierenden Mitschüler im Blick – aufgestanden ist und ruft: „Schreit doch nicht so laut, hier sind auch noch andre Menschen!“ Die Schüler verstummen und blicken sich im Abteil um. Sie entdecken uns und reden genauso lebendig, aber deutlich leiser weiter
„Hier sind noch andere Menschen!“  Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. So bin ich noch nicht bezeichnet worden und ich überlege, warum  es mir  auch irgendwie und gewöhnlich und fremd vorkommt.
Ich selber bin jetzt aufmerksam geworden auf die Menschen, die um mich herum sind, die mit mir täglich unterwegs sind, und die wohl ihre je eigenen Wünsche, Erwartungen und Gedanken mit sich tragen. Ich blicke mich um und merke, wie beinahe jeder und jede mit einem Lächeln zeigt, dass wir alle uns angesprochen fühlen: wir sind die „noch anderen Menschen“ im Wagen.
Ich freue mich über diese ungewöhnliche Titulierung, aber genauso über den gewitzten Buben, der auf den Punkt bringt, woran es bei vielen kleinen und großen Streitigkeiten mangelt: andere als Menschen wahr zu nehmen, achtsam auf deren Bedürfnisse zu sein und zu spüren, dass  doch jeder und jede unter uns den Wunsch hat angesehen, gehört und wahrgenommen zu werden – nicht nur als zahlender Fahrgast, als Konsument, als einer oder eine unter vielen. Ansehen und Gehör schenken – das ändert so viel und macht das Zusammenleben erträglicher und menschlicher. Ich nehme mir vor, das gerade heute mit in den Tag zu nehmen- und ich schaue zuerst den Schüler an, der mir so unvermittelt einen Tagesimpuls geschenkt hat – und er schmunzelt zurück! Es funktioniert!
„Da sind auch noch andere Menschen!“ Dieses Wort eines aufgeweckten Grundschülers gebe ich gerne an Sie, liebe Leserinnen und Leser weiter.

Klaus Becker
Diözesanreferent
Lohr am Main