Schlendern auf den Champs-Elysées, Staunen über die Ausdruckskraft der Skulpturen im Museum Rodin, von Angesicht zu Angesicht mit Mona Lisa im Louvre und Menschen aus aller Welt bei den Fahrten in der Métro. Paris, eine Weltstadt im Sommer, kann süchtig machen. Aber auch Begegnungen, die nicht im Reiseführer stehen, haben mich berührt und wirken nach:
Eine Stunde Pause nahe dem modernen Centre Pompidou. Die offene Tür von Saint-Merry, einer gotischen Kirche, lockt mich. Drinnen komme ich ins Staunen. In Anlehnung an die Tiergestalten der gotischen Kathedralen hängt eine 7 Meter hohe Luftinstallation im Kirchenraum. Janine, eine kleine Frau mit leuchtenden Augen, bestimmt schon über 70, erklärt mir, dass diese Kirchengemeinde die Tradition pflegt, aber offen ist für die Moderne. Ehrenamtliche organisieren Konzerte und Ausstellungen mit zeitgenössischen Künstlern. Sie führen Tagungen durch, in denen es um internationale Probleme und Menschenrechte geht. Sie sind vernetzt mit anderen christlichen Gemeinden in Lateinamerika, Osteuropa, Afrika und Asien. Damit wollen sie auf die Hoffnungen und Ängste der Menschen aufmerksam machen. In einem Seitenschiff sind große Wandbilder aufgestellt. Sie zeigen in Schwarz die Umrisse des Kopfes von Jesus auf farbenprächtigem Hintergrund. Jedem Werk ist ein Satz zugeordnet, der für eine bunte, solidarische Gesellschaft und für die Gastfreundschaft gegenüber Fremden und Flüchtlingen eintritt. In der Begegung mit Janine und dieser Pfarrgemeinde begegnet mir eine kostbare Spiritualität, die eine Weite und Freiheit atmet, wie ich sie mir für meine Kirche wünsche.
Am letzten Abend eine andere Begegnung, die auch unsere Schüler beeindruckt. Picknick am Ufer der Seine, weg vom Touristentreiben, aber mitten unter den Parisern, die hier mit Familie oder Freunden den Tag ausklingen lassen. Kleine Rundbühnen mit Terrassen säumen die Promenade. Es gibt bretonische Reigentänze und handgemachte Musik. Wer will, kann mitmachen. Besonders die Tänzer, die die argentinische Form des Tango tanzen, ziehen mich in ihren Bann. Da tanzt der kleine, ältere Afrikaner in Jeans mit der großen Frau im gelben Cocktailkleid, der junge Student mit der Seniorin in federleichten Schritten. Sie alle, der Professor mit Knoten im grauen Haar, die mondäne Dame im Stil der 30er Jahre, der Asiate im Businessanzug, vereint auf der Bühne im Tango. Am Morgen noch habe ich die Nachrichten des blutigen Bürgerkrieges in Syrien gelesen. Jetzt am Abend begegnen mir Männer und Frauen im Tanz, die - so unterschiedlich sie auch sind - einen gemeinsamen Rhythmus finden. Selbst einige unserer Jugendliche fangen auf dem Promenadenweg an zu tanzen. Ein Bild für eine Welt voll Lebensfreude, Respekt und Frieden, wie ich sie mir für unsere geschundene Welt wünsche.
Liebe Leserinnen und Leser,
ich wünsche Ihnen offene Augen und Ohren für solche Begegnungen in den kommenden Wochen. Es muss nicht Paris sein. Auch Aschaffenburg und Umgebung stecken voller Überraschungen.
Burkhard Fecher, Gemünden
Pastoralreferent, Ehe-, Familien- und Lebensberater