Als ich nach einigen Minuten noch einmal hinschaue, sind die beiden nicht mehr unter sich. Es hat sich ein großer Kreis gebildet – alle brechen sich der Reihe nach friedlich und mir scheint fast andächtig ein Stück Brot und essen miteinander. Ganz offensichtlich sind sie auch gut miteinander im Gespräch. Ich schaue gerne noch weiter hin und es kommt mir nach der vormittäglichen Sitzung mit vielen kleinen Ärgernissen vor als sehe ich jetzt die Antwort, um die wir zuvor mit unendlich vielen Worten gerungen haben.
„Brot brechen“ - vielleicht das kostbarste Ritual, das wir Menschen haben. Wer Brot teilt und es für andere oder mit ihnen bricht, der schenkt damit auch Aufmerksamkeit und Zuwendung, er blickt in die Augen und reicht ihm die Hand. Er ist dem anderen gut. Da ist kein Raum für Zank und Streit, Rechthaberei und Eigensucht. Der Frieden, der davon ausgeht, steckt andere an und lässt die Sehnsucht wachsen, dabei zu sein und dazu zu gehören.
Da ist es nicht verwunderlich, dass das Ritual des Brotbrechens in nahezu allen Kulturen und Religion in besonderer Weise geschätzt und gepflegt wird. Auch in meiner Kirche hat mit dem Brechen von Brot alles angefangen. Christen haben das getan, was Jesus ihnen vormachte: die Zuneigung zu den Menschen, die Solidarität mit denen, die am Rande standen gipfelte im Zeichen des gebrochenen Brotes: bei der Brotvermehrung, während des letzten Abendmahls, am Tisch in Emmaus. Jesus erfindet nicht ein neues Ritual, sondern tut, was die Menschen vor ihm getan haben. Im Brot brechen zeigt er ihnen seine Zuneigung und Solidarität, er führt sie zusammen und stiftet Gemeinschaft und Frieden. Kirche ist von Anfang an da, wo Menschen sich in diesem Tun Jesu verbinden. Kirche wächst da, wo miteinander Brot gebrochen wird.
Brot zu brechen weist aber auch auf die dunkle Seite des Menschseins hin. Denn wir wissen nur zu gut, dass das Gebrochen werden auch die Wirklichkeit vieler Menschen in dieser Welt abbildet. Auch hier zeigt sich in Jesus die Solidarität Gottes. Auch er lässt sich zerbrechen und schenkt so Leben für die Welt. Gebrochenes Brot ist für mich das stärkste Bild, die berührendste Geste, die mich an die Liebe Gottes erinnert.
In der kommenden Woche werden wir in den Gottesdiensten davon hören. Ich bin mir sicher, dass ich dann auch an die Schülerinnen denken werde, die mich an dieses Bild erinnert haben.
Klaus Becker, Diözesanreferent
Lohr am Main