Niemand, der mir das Gebäck einpackt und mich berät. Niemand, der mir die Tasse Kaffee zubereitet und ein Wort mit mir wechselt. Diese Backwaren- und Heißgetränke-Shops machen auf mich einen deprimierenden Eindruck. Ich sehe Menschen vereinzelt an Tischen und für sich allein in einer anonymisierten Umgebung. Manchmal beschleicht mich die Angst, dass diese neuen Geschäfte ein Sinnbild für die Zukunft unserer Gesellschaft sind.
Brot und Gebäck hat seit Jahrhunderten unser Leben geprägt und ist auch in der religiösen Tradition tief verankert. Faschingskrapfen und Weihnachtsplätzchen sind uns noch in Erinne-rung. In der jüdischen Tradition des Pessach-Festes spielt das ungesäuerte Brot, das Maz-zenbrot, eine zentrale Rolle. Es verweist auf den eiligen Aufbruch der Israeliten aus Ägypten, aus dem Land der Sklaverei. Da blieb keine Zeit, um Sauerteig herzustellen, so besteht das Brot der Freiheit allein aus Mehl und Wasser. Die ersten christlichen Gemeinschaften finden in der Feier des Abendmahles mit Brot und Wein ein Symbol für die bleibende Gemeinschaft mit Jesus Christus. Brot ist mehr als Brot. Brot weist in beiden Fällen über sich hinaus und wird sinnlich und feierlich genossen.
Brot ist mehr als Brot, wenn es für Gemeinschaft und Beziehungen zueinander steht. Das ist auch für unseren Alltag, außerhalb der religiösen Feiern wichtig. Denn hier verkommt Brot in unserer westlichen Welt zu einem austauschbaren Konsumartikel zum Billigpreis mit Ein-heitsgeschmack. Gerade die unglaubliche Vielfalt im Angebot der Backwaren täuscht darüber hinweg, dass alles irgendwie gleich ist. Noch nie wurde so viel schlechtes Brot gekauft, ge-gessen und in großen Mengen auch weggeworfen. Anonymisierter Verkauf von austauschba-ren Backwaren ist ein Trend, dem sich nur noch wenige Bäckereien entgegenstellen, in denen eine kleine Auswahl von Brot in Handarbeit vor Ort gebacken und verkauft wird.
Paul Tillich hat das Wort Sünde in unsere Zeit übersetzt und sprach von Entfremdung und Beziehungslosigkeit. So kann Brot zum Symbol werden für Entfremdung und für Gemein-schaft gleichermaßen. In der Passionszeit können wir ein Fasten einüben, das dem billigen, schnellen und entfremdeten Verzehr von Nahrungsmitteln widersteht. Auch um unsere selbst willen – auch um der anderen Menschen willen. Das Leben ist nicht nur zu kurz, um schlech-ten Wein zu trinken, sondern auch um schlechtes Brot zu essen.