Vielleicht dachten Ihre Eltern an die verstorbene Tante oder an einen Star, der in Ihrem Geburtsjahr wichtig war. Vielleicht wollten sie Ihren Lebensweg schon mit der Namensgebung in eine bestimmte Richtung lenken. Namen können Lust und Last, Erbe und Auftrag sein.
Am Montag steht ein großer Name im Kalender: Martin! Schon morgen feiern wir im Martinushaus das Martinsfest. Die Geschichte mit der Mantelteilung und das Martinslied kennt jedes Kind. Erst als ich ins Martinushaus kam, habe ich angefangen, mich für diesen scheinbar so bekannten Heiligen aus dem vierten Jahrhundert näher zu interessieren. Auch Martin ist nicht gefragt worden, ob er seinen Namen tragen wollte. Der Vater verband damit eine Weichenstellung für die Biographie seines Sohnes. Martins Vater war römischer Offizier und gab seinem Sohn den Kriegsgott Mars mit auf den Lebensweg. Er bestimmte, dass sein Sohn ebenfalls die Militärlaufbahn einschlagen sollte. Da war Martin 15. Er beugte sich dem Willen des Vaters. Aber allmählich entdeckte er etwas, das ihm half, sich von seinem Vater zu emanzipieren: Martin interessierte sich für das Christentum und nahm Taufunterricht. So fand er Kraft, sein eigenes Leben zu leben. Seinen kriegerischen Namen wurde er nicht los. Aber Martin konnte ihn umdeuten: Er verstand sich nicht mehr als ein Soldat des römischen Kaisers, sondern als ein Soldat Christi. Mit 36 ließ Martin sich taufen. Er wollte den Militärdienst quittieren, was ihm erst nach fünfundzwanzig Dienstjahren gestattet wurde. Da war Martin mit 40 schon in der Lebensmitte! Er nahm sich dann erst einmal eine Auszeit und lebte als Einsiedler. Später gründete er mehrere Klöster und wurde Bischof von Tours. Er lebte in keinem Palast, sondern vor den Stadtmauern in den Holzhütten bei den Armen.
Was mich an dieser Biographie fasziniert: Da ist jemand, dessen Leben von der Namensgebung an vorprogrammiert scheint. Was für eine Karriere hätte Martin beim Militär durchlaufen können dank seinem einflussreichen Vater! Aber trotz und mit seinem Namen kam für Martin alles ganz anders. Seine Herkunftsfamilie gab ihm ein schweres Erbe mit auf den Weg. Er nahm die Herausforderung an – und fand seinen eigenen Weg! Auch seinen Namen hat er angenommen – und sich so mit ihm versöhnt, dass er wirklich SEIN Name wurde und er mit diesem Namen SEIN Leben leben konnte.
Wissen Sie, woher Ihr Name kommt? Was sich Ihre Eltern dabei dachten? Was er wörtlich bedeutet? Wenn Sie Ihren Namen mögen - umso besser! Wenn er Ihnen nicht spontan sympathisch ist: Holen Sie sich Kraft beim heiligen Martin! Ich bin überzeugt: Jeder Name ist eine Tür zu einem ungeahnten Resonanzraum, in dem die je eigene Lebensmelodie ganz neu erklingen kann.
Dr. Hildegard Gosebrink, Rektorin des Martinushauses