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Gönne dir eine eigene Meinung

Durch diesen April begleitet mich ein Spruch auf dem Kalenderblatt: „Steigerung des Luxus: eigenes Auto, eigene Villa, eigene Meinung!“ Dazu passt das morgige Fest der heiligen Katharina von Siena, Kirchenlehrerin und Patronin Europas. Sie lebte im vierzehnten Jahrhundert: bettelarm, aber stets mit dem Luxus einer eigenen Meinung.

Katharina ist die Tochter wohlhabender Eltern. Die wollen ihre Tochter standesgemäß verheiraten – aber sie stellt sich quer. Sie tritt in den Dritten Orden der Dominikaner ein. Das heißt, Katharina entscheidet sich nicht für ein sicheres Leben hinter Klostermauern, wo Töchter aus gutem Hause die Tage mit Choral und Studium verbringen. Sie wählt ein Leben in Armut wie Franziskus und Dominikus, lebt auf der Straße und beginnt zu predigen, gefolgt von einer Schar aus Jüngern und Jüngerinnen – unerhört! Bald gerät sie in den Verdacht, eine Ketzerin zu sein, und muss sich vor ihren Ordensoberen rechtfertigen. Aber die finden keinen Grund zur Verurteilung.
Zu Katharinas Zeit wütet die Pest. Der Papst, jahrhundertelang Symbolfigur für die Einheit von geistlicher und weltlicher Macht in Europa, gerät unter den Einfluss des französischen Königs – so weit, dass er schließlich Rom verlässt und fortan in Avignon residiert. In Rom regiert bald ein Gegenpapst. Es kommt zur Kirchenspaltung. Nationalstaaten entstehen. England und Frankreich befinden sich im Hundertjährigen Krieg. In Italien bekämpfen sich Adelsparteien; der Graben zwischen Arm und Reich wird immer tiefer.
Katharina mischt sich ein. Sie schreibt an den Papst in Avignon: „Ihre Säumigkeit hat schon viel Verwirrung entstehen lassen! Setzen Sie gute Hirten ein, denn die schlechten Hirten sind die Ursache für den Niedergang der Kirche.“ Knapp dreißigjährig trifft sie selber in Avignon ein, um den Papst zur Rückkehr nach Rom zu bewegen – mit Erfolg! Katharina wirkt als Friedensstifterin: Sie ermahnt den König von Frankreich, den Krieg mit England zu beenden. In Italien vermittelt sie zwischen verfeindeten Städten und Adelsparteien. Sie begleitet Todeskandidaten vor und während der Hinrichtung, so dass sie Frieden mit ihrer eigenen Lebensgeschichte schließen können. Sie stirbt 33jährig am 29. April 1380 in Rom.
Wie jeder Mensch war Katharina Kind ihrer Zeit. So bleibt sie mir auch ein Stück fremd. Vor allem aber beeindruckt mich ihr Mut. Sie war alles andere als konfliktscheu. Um des größeren Friedens willen war sie eine streitbare Frau. Sie hat eigenständig gedacht und gehandelt, Missstände beim Namen genannt, getadelt, getröstet, ermutigt. Wenn ich übermorgen mein Kalenderblatt abreiße, nehme ich Katharina in Gedanken mit als Weggefährtin und Mutmacherin. Ich lasse mir von ihr zusagen: Gönne dir den Luxus einer eigenen Meinung!

Dr. Hildegard Gosebrink, Rektorin des Martinushauses in Aschaffenburg