Es ist eine menschliche Grundhaltung, dass Andere schuld sind, wenn wir nicht weiterkommen: Menschen, die uns den falschen Weg gewiesen haben oder die Gesellschaft, die uns keinen Raum zur Entfaltung ließ. Und schließlich ist es Gott, dem wir die Schuld geben.
Belastende Erinnerungen und lähmende Vergangenheit los zu werden und wieder neu beginnen zu können, ist ein Grundthema unseres Daseins.
Ziemlich am Anfang seiner Wirksamkeit sagt Jesus: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Johannesevangelium Kapitel 3, Verse 14-15) Jesus nennt seinen Tod am Kreuz Erhöhung. Damit deutet er seinen Auftrag. Belastendes, Enttäuschung, Schuld hat ein Ende. Es stirbt mit Jesus am Kreuz. Dieser Tod ermöglicht neues Leben.
Man kann diese Deutung ablehnen und als Wunschdenken abtun. Die Religionen insgesamt und besonders unser christlicher Glaube wussten immer davon, dass Schuld vergeben werden muss, uns nachhängende Enttäuschungen aufgearbeitet werden müssen und dass wir es da mit Gott zu tun haben. Ansonsten werden wir an unserer Seele krank.
Wenn wir den Christus am Kreuz, den Kruzifixus, ansehen, dann treten wir mit unserer Geschichte ein in seine Geschichte. Die großen Vorbilder des Glaubens, auch die Dichter der Kirchenlieder, haben das getan. „Nun in heilgem Stilleschweigen stehen wir auf Golgatha. Tief und tiefer wir uns neigen vor dem Wunder, das geschah.“ (Evangelisches Gesangbuch 93, Vers 2)
So ist es auch schon im Alten Testament gemeint, wenn aufgefordert wird, den Kindern und Enkeln von den großen Taten Gottes zu erzählen. Dabei wird immer wieder neu bezeugt, wie unser Leben hineinverwoben ist in Gottes Zuwendung zu uns. So können wir aus der Kraft Christi und seines Kreuzes unser Leben annehmen und befreit in die Zukunft gehen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten 5. Passionssonntag.
Volkmar Gregori, evangelischer Dekan am bayerischen Untermain