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Ich mag dich leiden

Gibt es einen Menschen, dem Sie das sagen würden? Dieser Satz hat es in sich! Darin steckt tiefe Lebensweisheit: Liebe und Leiden gehören zusammen. Wenn Sie jemanden ganz besonders gern haben, dann kennen Sie das: Gerade durch die Liebe leiden Sie auch an ihm oder ihr.

Denn die Sehnsucht nach Nähe oder Distanz ist bei beiden nicht immer gleich. Da will der eine ganz viel Intimität, und die andere braucht gerade mehr Abstand, um zu sich selber kommen zu können. Da will die eine sich mitteilen, öffnen – und der andere ist unerreichbar, weil es gerade auf den eigenen Baustellen drunter und drüber geht. Das hat oft überhaupt nichts damit zu tun, dass die beiden sich im Grunde nicht verstehen oder zu wenig an ihrer Kommunikation gearbeitet hätten. Jeder Mensch ist und bleibt unbegreifliches Geheimnis, unverfügbar – das weiß jeder und jede, der oder die lieben kann! Jemanden lieben – sei es die erotische Liebe oder die Freundschaft – heißt: ihn oder sie leiden mögen, aushalten können, dass er oder sie auch ganz anders ist, als ich es gerne hätte. Den geliebten Menschen nicht verzwecken, damit es mir gut geht, sondern offen sein dafür, dass das Letzte zwischen uns nicht machbar ist, geschenktes Geheimnis bleibt, das wir nicht in der Hand haben.

Mit der Liebe zu Gott ist es nicht anders als mit der Liebe zwischen Menschen. Denn Menschengeheimnis und Gottesgeheimnis gehören zutiefst zusammen. Auch die Nähe zu Gott ist nicht „machbar“. Meister Eckhart, ein christlicher Meister aus dem Mittelalter, sagt: „Manche Menschen wollen Gott lieben, wie sie eine Kuh lieben. Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So halten’s alle jene Leute, die Gott um äußeren Reichtum oder inneren Trostes willen lieben.“ Nach Meister Eckhart soll man Gott nicht um des Nutzens willen lieben, und komme er noch so fromm daher. Menschen, die beten, kennen das: Es gibt die innere Erfahrung, dass Erbetenes nicht so erfüllt wird, wie wir es gerne hätten, ja sogar, dass scheinbar keine Antwort kommt. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass unser Beten daneben läge. Vielmehr: Gott bleibt unbegreifliches Geheimnis, ganz anders. Kein Gebet, keine Meditationstechnik der Welt kann ihn manipulieren. Gott sei Dank! Angelus Silesius, ein anderer christlicher Meister, empfiehlt: Schau auf die Rose. Sie blühet, weil sie blühet. Einfach so. Sie lässt sich nicht verzwecken. Mit der Liebe ist es ähnlich.

Wem mögen Sie das sagen: „Ich mag dich leiden!“ Sagen Sie es einem Menschen – und wenn Sie sich das nächste Mal ins Beten wagen: Sagen Sie es diesem unbegreiflichen Gott. Er versteht Ihre menschliche Liebeserklärung! Auch wir Menschen sind oft ganz anders, als er uns gerne hätte… Aber darauf ist Verlass: Gott mag uns Menschen leiden!

 Dr. Hildegard Gosebrink, Rektorin des Martinushauses