Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Lasst die Katze frei

Ein Guru hatte eine Katze, so erzählt der Jesuit Anthony de Mello in einer seiner Weisheitsgeschichten. Die Katze allerdings störte durch ihr Herumstreunen den Heiligen Mann bei seinen Meditationen und deswegen ließ er sie zu diesen Zeiten anbinden.

Als der Guru starb und ein Neuer dessen Platz einnahm, wurde die Katze weiterhin angebunden. Als dann allerdings die Katze starb, wurde eine neue Katze gekauft, damit man sie ordnungsgemäß anbinden konnte.

So ist das manchmal: eine zunächst gute und sinnvolle Handlung entwickelt ein Eigenleben, verselbstständigt sich, wird losgelöst von ihrer ursprünglichen Bedeutung. Und dann kommen die Hüter der Ordnung, sprechen von Tradition und vom Bewahren. Nicht immer wird dabei nach dem Sinn gefragt.

Das ist ja auch menschlich. Jeder wird in sich die Auswirkungen des Trägheitsgesetzes kennen, dass sich mit dem Spruch "Das war schon immer so" gerne rechtfertigt. Nichts gegen eine gesunde Routine, denn ohne die Wiederholungen würde das Leben zu einem einzigen Dauerstress. Nichts auch gegen Bräuche, die mehr sind als schöner Schein. Aber es gibt Traditionen, die schränken ein und beschneiden das Leben statt es zu fördern oder sind hohl geworden, weil ihr Sinn sich überlebt hat. Würde zum Beispiel eine Braut, die vom Vater in die Kirche geführt und in die Hand des künftigen Gatten übergeben wird den Satz unterschreiben: "Heute gehe ich vom Besitz meines Vaters in den Besitz meines Mannes über"? Das bedeutete dieser Brauch einmal, aber er macht in unserer Gesellschaft so keinen Sinn mehr - gottseidank.

Deswegen ist es gut, immer wieder mal zu hinterfragen, ob die Dinge so bleiben müssen, wie sie angeblich  schon immer waren. Das können sich Eltern fragen, die ihren Nachwuchs wie kleine Kinder behandeln, obwohl die inzwischen selbst Familie haben. Das können sich Verbände und Institutionen fragen, die an Konzepten festhalten, die nicht mehr ankommen bei den Menschen. Das können sich auch die Vertreter der Kirchen fragen, die den Glauben wie den alten Zeiten gerne von oben her verkünden ohne der zunehmenden Mündigkeit des Kirchenvolkes gerecht zu werden.  

Als Jesus einmal seine Jünger verteidigte, die entgegen religiöser Gesetze am Sabbat Ähren geerntet hatten, forderte er dazu auf, hinter die Regeln und Bräuche zu sehen. Der Sabbat sei für die Menschen da und das Gesetz nicht um des Gesetzes willen, rief er den Kritikern des Traditionsbruchs zu. Damit hat er kein Gesetz aufgehoben, aber die Priorität klar gestellt, die da heißt: was dient dem Leben?  

Wir sollten des Öfteren nach Katzen Ausschau halten, die irgendwo angebunden sind, obwohl niemand mehr meditiert. Und Vorsicht: finden kann man sie nicht nur beim anderen, sondern immer auch bei sich selber.  

 

 

Burkard Vogt,

Gemeindereferent in Aschaffenburg