Es ist kaum etwas zu sehen außer der immergleichen Bewegung der Füße, dem kontinuierlichen Drehen des Schwungrads und der sich stetig zu einem Garn eindrehenden Wolle. Kinder wie Alte, Besucher der Museumsnacht und türkischsprechende Jugendliche oder die Partygäste des Colossaal – gebannt schauen sie auf dieses aktionslose Schauspiel. Auch ich kann mich von seiner Faszination nicht lösen.
Es ist schön, dass es in unserer Welt voller Stress offensichtlich so leicht sein kann, einen Ruhepol, eine Oase des Innehaltens zu schaffen. Manche bleiben ein paar Minuten, andere eine Viertelstunde und beobachten in sich selbst versunken das Geschehen.
Langsam beginne ich zu erahnen, warum die Menschen in früheren Jahrhunderten vielleicht weniger Stress hatten – obwohl ihr Tagewerk mehr von ihnen abverlangte und sie längst nicht sicher sein konnten, alles zur rechten Zeit erledigt zu haben. Was damals existentiell war: Wenn die Ernte nicht eingefahren werden konnte, hieß das Hunger und wenn die Kleidung nicht fertig war, hieß das im Winter frieren.
Die Unwägbarkeiten waren unvergleichlich größer. Aber die Geschwindigkeit war vorgegeben: Vom Spinnrad, vom Webstuhl, vom Ochsen oder Esel auf dem Acker, vom Hammer des Schmieds und so weiter. Es gab keine Möglichkeit der Beschleunigung, keine Maschine, deren Produktivität man steigern konnte. Auch wenn man es eilig hatte, es ging nicht schneller!
So auch am Ende des Abends im Rossmarkt. Nach gut drei Stunden getaner Arbeit: Nicht mehr als ein kleines Knäuel ist der Ertrag! Ehrfurcht beschleicht mich. Welche Geduld mussten die Menschen früher bei ihrem täglichen Tun aufbringen. Oder war es umgekehrt? Die Unmöglichkeit der Beschleunigung verlieh ihnen eine stoische Gelassenheit?
Dazu passt ein Wort aus dem Buch des Predigers: „Wiederum sah ich, wie es unter der Sonne zugeht: Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein; dass einer angenehm sei, dazu hilft nicht, dass er etwas gut kann, sondern alles liegt an Zeit und Glück“ (Prediger 9,11).
Offensichtlich gilt das auch heute, wenn auch in anderem Sinn. Wenn ich mich so umschaue, hilft es uns jedenfalls nicht, dass wir immer mehr in immer kürzerer Zeit erledigen, produzieren, organisieren können. Mehr Ruhe, geschweige denn mehr freie Zeit haben wir jedenfalls nicht. Im Gegenteil! Ein Ausweg aus diesem Dilemma? Der kann, wenn, dann nur in einer radikalen Umkehr liegen, fürchte ich.