Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Mit dem Herzen lernen

Im Religionsunterricht schreibe ich den 23. Psalm an die Tafel. „Müssen wir das alles auswendig lernen?“ fragen mehrere Schüler. „Wie sollen wir das alles in unseren Kopf bekommen?“ Wahrscheinlich sehen sie sich schon mit weichen Knien vor der Klasse stehen und unsicher die Verse „Der Herr ist mein Hirte…“ aufsagen.

Im Englischen gibt es für das Auswendiglernen die Wendung „learning by heart“, etwas mit dem Herzen lernen. Und im Französischen heißt etwas auswendig wissen, „savoir par coeur“, etwas mit dem Herzen wissen. Das kommt auch dem Lernen in der Bibel näher als unser deutsches Wort Auswendiglernen. „Und diese Worte die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen …“ heißt es im Alten Testament über ein Gebet, das jedes jüdische Kind von klein auf auswendig lernt. Sich Worte zu Herzen nehmen, mit dem Herzen lernen und dann mit dem Herzen wissen – unser Auswendiglernen klingt demgegenüber viel kopfbezogener.
Wir werden die Verse zusammen lernen, aber mehr inwendig als auswendig. Wir werden sie immer mal wieder gemeinsam sprechen, bis ihr sie könnt, antworte ich den Schülern. Ihr müsst sie nicht aufsagen. Lernt sie mehr für euch. Diese Worte sind zu wertvoll dafür, sie nur im Kurzzeitgedächtnis abzuspeichern, für eine Note aufzusagen und sie dann wieder zu vergessen.
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ich das immer noch auswendig weiß, was für mich persönlich wichtig und wertvoll geworden ist und was ich verinnerlicht habe. Worte, die Geborgenheit und Vertrauen vermitteln, wie die des 23. Psalms, mein Taufspruch oder Geschichten, können uns zu einem Schatz werden, den wir in uns tragen. Vielleicht haben auch Sie einen solchen Bibel- oder Liedvers, der Ihnen wertvoll geworden ist und Sie seit langem begleitet.
Es beeindruckt mich immer wieder, wie viele ältere Menschen Psalmen, Gebete oder Kirchenlieder frei sprechen können, so wie Paul Gerhardts „Befiehl du deine Wege“: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des der den Himmel lenkt…“. Sie haben diesen Schatz in sich über Jahrzehnte gepflegt.
Ich glaube, wir brauchen diesen Vorrat an Hoffnungsbildern in unseren Herzen, Kinder wie Erwachsene. Worte und Bilder, die vom Kopf ins Herz wandern und die uns nähren können. Worte und Bilder, die wir hervorholen können, wenn wir sie brauchen, mitten am Tag, schlaflos in der Nacht, in guten und in schwierigen Zeiten.

Felix Breitling, ev. Pfarrer, Hasloch/Main