Und in den katholischen Kirchen wurde an diesem Tag das hohe Loblied auf Maria, die Mutter und Maienkönigin, verbunden mit dem Lobpreis des Mutterseins als höchste Berufung für eine Frau. Irgendwann ist mir bei einem solchen Anlass aufgefallen, wie viele Frauen in der Kirche sitzen, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Mütter sind. Wie mag es ihnen wohl ergehen, wenn sich das über Jahre wiederholt? Werden da nicht gerade die Frauen ausgegrenzt, die zwar keine eigenen Kinder haben, aber oft mit großem Einsatz mütterlich für andere da sind – im Beruf oder im ehrenamtlichen Engagement?
Es ist gut und wichtig, wenn jeder Mensch diesen Tag (und hoffentlich auch andere) zum Anlass nimmt, seiner eigenen Mutter für das zu danken, was sie ihm geschenkt hat. Aber wir sollten uns hüten, dass Muttersein als Lebensform zu hoch zu preisen, wenn damit andere frei gewählte oder unfreiwillig zu lebende Formen abgewertet werden. Und nicht wenige äußern ja den Verdacht, dass gerade in der katholischen Kirche gerne die Mutter so hoch gepriesen wird, um von mancher faktischen Benachteiligung der Frauen in der Kirche abzulenken.
Über den Blick auf die eigene Mutter hinaus kann dieser Tag uns noch zu etwas anderem führen: Er macht uns deutlich, dass wir uns nicht selbst geschaffen haben, dass das Leben immer zuerst ein Geschenk und keine eigene Leistung ist. „Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser“, so formulierte es einst der Indianerhäuptling Seattle in seiner berühmten Rede. Darin steckt eine wichtige Botschaft zur Bescheidenheit und Dankbarkeit für Selbstinszenierer, Alleskönner und Einzelkämpfer.
Deswegen meine ich: Muttertag ist mehr als Blumensträuße und Kindergedichte.
Peter Michaeli,
Pastoralreferent in Aschaffenburg (Leider und Nilkheim)