Der greise Sokrates, berühmt für seine Dialoge über die Weisheit, vergleicht seine Dialogführung mit einem „Hebammendienst“. Zusammen mit seinem Gesprächspartner geht er in der Wahrheitssuche sozusagen schwanger. Im Gespräch mit der „Hebamme“ Sokrates entdeckt sein Gegenüber, was gut, schön und wertvoll für sein Leben ist, kurz: was für sein Leben vor den Menschen und vor Gott taugt. In diesem Bemühen möchte ich Jesus mit Sokrates vergleichen, wenn er seinen Gesprächspartnern mit einem Einfühlungsvermögen, einer Achtsamkeit, Liebe und Klarheit entgegenkommt, die ihresgleichen suchen – und dies in vielen Fragen seines Lebens: nach Gott und dem Geld, nach seinem Nächsten, nach dem Einzelnen und der Gesellschaft, wie auch nach dem Leid und den Alltagssorgen.
Vor einigen Wochen ist in der katholischen Kirche Würzburgs der Dialogprozess zwischen der Bistumsleitung und den Pfarreiengemeinschaften zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Über 6000 Katholiken und mehr als 100 Pfarreiengemeinschaften haben sich daran beteiligt. Danach befragt, was ich von der Bistumsleitung erwarte, habe ich unter Anderem den „Trialog“, das Dreiergespräch, vorgeschlagen: Damit wollte ich einfordern, dass in den pastoralen Entscheidungen zwischen Bistumsleitung und Kirchenvolk die „Hebammen“- Haltung Jesu fundamental sein müsste. In diesem Gespräch sollte hingeschaut werden, wie Jesus vor 2000 Jahren mit den Außenseitern, der Ehebrecherin, der Samariterin mit ihrem fünf Männern, den Pharisäern, der Sünderin, dem Verlorenen Sohn umgegangen ist, wie er gelebt und welche Antworten er auf die Fragen nach Glück, Beziehung und sinnvollem Leben gegeben hat. Es waren für die Gesetzesgerechten provozierende, für die Betroffenen befreiende, für ihren Lebensweg heilsame Antworten.
Wenn am Sonntag von katholischen Christen der Christkönigssonntag, von den evangelischen Christen der Ewigkeitssonntag als „Tag des Jüngsten Gerichts“ gefeiert wird, dann wird nicht ein allmächtiger König gefeiert, der sich beweihräuchern lassen muss und dem man Ovationen entgegenbringt, sondern ein König, der „von der Wahrheit Zeugnis gibt“. Was ist Wahrheit? Wahrheit ist – wer oder was mich als Mensch leben lässt. Jesus gab darauf aus seiner Innenerfahrung heraus konkrete Antworten und kleidete seine Lehre in seine Bilder vom „Reich Gottes“, der „Königsherrschaft Gottes“, deren Säulen Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden sind. Diese Säulen schon jetzt aufzurichten, war das Ziel seines Lebens und Sterbens und sollte das Ziel des Dialogprozesses im Trialog mit ihm sein.
Peter Spielmann, Pastoraler Mitarbeiter in Obernau