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Wo gehöre ich hin?

Religionen – die verbieten alles, was Spaß macht! Meint meine Nichte Lisa. Im Religionsunterricht entdeckt sie gerade Islam und Buddhismus. Was da alles nicht erlaubt ist – und die Kirchen sind auch nicht besser!

Seit Mittwoch haben wir Christen Fastenzeit – das Wort scheint ihr Recht zu geben. Wieder der erhobene Zeigefinger: Ende mit lustig und verzichten! Aber ein zweiter Blick ist hilfreich: Nur wir gründlichen Deutschen sprechen von „Fasten“zeit. Wenn die Engländer „lent“ sagen, klingt mit, dass die Tage wieder länger werden und endlich der Frühling kommt. Bei den Franzosen ist von „carême“ die Rede wegen der vierzig Tage vor Ostern.
Der Ursprung dieser Zeit liegt nicht im Fasten. In den ersten christlichen Jahrhunderten stellten sich Erwachsene in einem langen Prozess ganz bewusst der Frage, ob sie sich taufen lassen wollten. Sie lernten den christlichen Glauben erst einmal gründlich kennen: drei Jahre lang! Einziger Tauftermin im Jahr war die Osternacht. Wer sich am Ende der drei Jahre für die Taufe entschied, musste sich vierzig Tage vor Ostern mit seinem Namen öffentlich in eine Liste eintragen. Für ihn oder sie begann der Endspurt der Taufvorbereitung, eine ganz besonders intensive spirituelle Zeit. Erst im frühen Mittelalter, als die Erwachsenentaufe nicht mehr üblich war, wurde der Gedanke an Buße und Verzicht prägend. Der Aschermittwoch entstand als Auftakt zur Vorbereitung auf Ostern.
Nichts gegen Aschenkreuz und Fasten. Es gibt viele tolle Ideen, den alten Brauch des Fastens heute sinnvoll zu gestalten, zum Beispiel die Aktion CO2-Fasten, angestoßen von Jugendlichen im Bistum Würzburg mit Blick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Aber mir tut gut, dass die Fastenzeit viel mehr ist, als ihr deutscher Name sagt: von ihrem Ursprung her eine ganz besondere Zeit, die mich an meine Taufe erinnert. Ich kann mich fragen und vergewissern: Wo gehöre ich eigentlich hin? Was ist meine Identität im Konzert der Religionen? Was irritiert mich angesichts der eigenen Tradition, lässt mich kritisch nachfragen und suchen? Was macht mein Christentum aus: meine Lieblingsbibelstelle, ein Bild oder ein Vers aus einem Lied, ein Ritual, das mir wichtig geworden ist? Natürlich ist das Stoff für das ganze Leben! Aber in diesen Wochen haben solche Fragen für mich einen besonderen Klang. Ich freue mich auf die Osternacht und das uralte Ritual der Tauferneuerung. Vor 44 Jahren bin ich nicht gefragt worden – in der Osternacht werde ich jedes Jahr gefragt und kann sagen: Ja, ich bin getauft, und das ist gut so!
Lisa war inzwischen mit ihrer muslimischen Freundin in der Moschee. Ob sie Fatima wohl mal mit in die Kirche nehmen kann? „Ich will ihr zeigen, wie es bei uns ist!“ sagt Lisa. Sie ahnt nicht, wie tief mich dieses „bei uns“ anrührt…

Dr. Hildegard Gosebrink, Rektorin des Martinushauses